Nicht nur Johann Wolfgang von Goethe ist für seine Harzreisen berühmt. Auch der junge Heinrich Heine wanderte 1824 etwa einen Monat lang durch das deutsche Mittelgebirge. Seine Reise führt ihn von Westen über Osterode, Clausthal, Goslar und den Brocken bis nach Ilsenburg. Mit seinem Prosawerk „Harzreise“, in dem er nicht nur die wildromantische Landschaft des Oberharzes einfängt, sondern auch die Menschen und ihre Eigenheiten bissig-satirisch charakterisiert, gelang dem Dichter der literarische Durchbruch.
Inzwischen ist der einstige Geheimtipp, der Dichter und Literaten zu künstlerischen Meisterleistungen inspirierte und dem sagenumwobenen Brocken einen Platz in der Weltliteratur sicherte, ein touristisch gut erschlossenes Gebiet. Trotzdem finden Reisende jenseits der Publikums-Hochburgen im Harz nach wie vor Raum für besinnliche Naturerfahrungen, Erholung und Stille. Auch historisch und kulturell hat der Harz einiges zu bieten. Nicht ohne Grund ist die Region eines der beliebtesten Reiseziele in Deutschland.
Genuss-Wanderungen durch zauberhafte Winterlandschaften
Über 300 Kilometer sorgfältig vorbereitete Winterwanderwege laden zu ausgedehnten Spaziergängen und Wanderungen durch die zauberhaft verschneite Landschaft des deutschen Mittelgebirges ein. Das am Nord-
rand des Harzes gelegene Städtchen Bad Harzburg im Landkreis Goslar bietet sich als Ausgangspunkt und Übernachtungsort an, um den Nationalpark zu erkunden oder um von Schierke aus den Brocken zu erklimmen.
„Es ist ein äußerst erschöpfender Weg“, schrieb Heine, der während des Aufstiegs an all die „Blocksbergsgeschichten“ dachte und sich fühlte, als schnaufe Goethes Mephisto neben ihm den Berg hinauf. Heutzutage geht das leichter: Wer die Bergbesteigung nicht selbst auf sich nehmen möchte, lässt sich bequem von der Brockenbahn zum höchsten Gipfel des Harzes mitnehmen. Oben wartet auf mehr als 1.000 Höhenmetern eine bizarre Landschaft aus Schnee und Eis. Der Rückweg ist weit weniger beschwerlich als der Aufstieg, sodass sich die Fahrt mit der Harzer Schmalspurbahn mit einer Fußwanderung kombinieren lässt.
Heine selbst wanderte vom höchsten Berg des Harzes hinab in die Kleinstadt Ilsenburg. Der heute als „Heinrich-Heine-Weg“ bezeichnete Pfad ist 12 Kilometer lang und gilt als schönster Weg vom und zum Brocken. Geübte Wanderer sollten etwa vier Stunden einplanen, um diese nicht ganz einfache Route zu meistern. Für die Anstrengung werden sie mit dem Blick auf urwüchsige Buchenwälder, ungewöhnliche Felsformationen und den Anblick der Ilsefälle im idyllischen Ilsetal belohnt.
„Über himmelhohen Tannen“: Von der Burgberg-Seilbahn zum Baumwipfelpfad
Ein Fußmarsch wie zu Goethe und Heines Zeiten ist nicht mehr die einzige Möglichkeit, die einzigartige Harzer Landschaft zu erleben. Wie wäre es mit einer Fahrt in der Burgberg-Seilbahn? Rund 100 Jahre nach Heines Harzreise, im Jahre 1929, wurde sie in Betrieb genommen. Seit 90 Jahren bringt die „alte Dame“, wie sie von den Bad Harzburgern liebevoll genannt wird, ihre Passagiere in rund drei Minuten zuverlässig zum Gipfel von Bad Harzburgs Hausberg (483 m). Bisher unfallfrei. Erste Pläne, eine Berg-
bahn zu installieren, gab es sogar bereits fast 40 Jahre früher. Allerdings wollten sich die Esel- und Maultierführer, die damals für den Transport der Gäste zum Gipfel sorgten, ihr Geschäft nicht ruinieren lassen. Durch ihren Widerstand verschob sich der Bau um Jahrzehnte.
Wer sich für Technik begeistert, bekommt bei einer Fahrt in den weißen Gondeln die Gelegenheit, historische Technik hautnah zu erleben. Wunderbare Ausblicke über die Landschaft gibt es inklusive. Oben auf dem Burgbergplateau bietet sich eine weite Sicht über die Stadt und auf die Umgebung. Dort grüßt die 19 Meter hohe Canossa-Säule. Der Obelisk wurde 1877 zu Ehren des deutschen Reichsgründers Otto von Bismarck aufgestellt. Außerdem finden sich auf dem Burgberg die Ruinen der Harzburg, die von König Heinrich IV. vermutlich zwischen 1065 und 1068 erbaut wurde.
Vom Gipfel des Burgberges aus laden diverse Wanderrouten anschließend zum Entdecken der Harzer Wälder ein: Der Besinnungsweg, der Rundweg um die Harzburg, der Wanderweg zum Luchsgehege („Luchtstour“), zur Rabenklippe, zum Molkenhaus und ein Wanderweg zum Brocken (13 km) beginnen dort.
Eine besondere Attraktion befindet sich in beinahe unmittelbarer Nähe: der „Baumwipfelpfad“. Der kürzeste Weg dorthin umfasst nur 700 Meter. Die als sehr schwierig geltende Strecke hat es allerdings in sich. Weniger sportliche Wanderer sollten auf einen der beiden leichteren Wege (Länge: 1,9 km und 2,2 km) ausweichen. Im Mai 2015 eröffnet, führt der „Baumwipfelpfad“ in luftiger Höhe einen Kilometer durch das Kalte Tal und erlaubt faszinierende Einblicke in die Baumwelt aus ungewöhnlicher Perspektive. Zahlreiche Ruhepunkte und Erlebnisstationen, thematische Führungen zu Flora und Fauna, aber auch kulturelle und kulinarische Events machen den Besuch der barrierefreien Anlage zu einem Highlight der Harzreise.
Wintersportmöglichkeiten: mehr als Wandern
Auf dem Brocken selbst gibt es zwar keine Skipisten, aber im Harz warten mehr als 500 Kilometer gespurte Langlaufloipen und Skipisten verschiedener Schwierigkeitsgrade darauf, entdeckt zu werden. Besonders der Oberharz im Nordwesten mit Höhen bis zu 800 Meter bietet sich für Wintersportler an. Der 971 Meter hohe Wurmberg bei Braunlage ist durch eine Seilbahn erreichbar. Die Talabfahrt ist mit einer Strecke von rund vier Kilometern die längste Skipiste des Harzes.
Dazu gibt es Natureisflächen zum Schlittschuhlaufen, wenn es knackig kalt ist, und Rodelbahnen, die Gelegenheitswintersportler und Profis gleichermaßen begeistern.
Kulturelles im Harz
Im Gegensatz zu Goethe und Heine überwinden moderne Harzreisende weite Distanzen unkompliziert in kürzester Zeit. Dadurch lässt sich die eigene Route pro-
blemlos um weitere Glanzlichter erweitern und der eine oder andere Abstecher einplanen. Denn es sind nicht nur Wander- und Wintersportmöglichkeiten, die Erholungssuchende immer wieder in den Harz führen. Zu den Höhepunkten einer Harzreise gehört das Zisterzienser Kloster in Walkenried am Rande des Südharzes im Landkreis Göttingen. Der Klosterort Walkenried ist seit 2010 UNESCO Weltkulturerbestätte und liegt malerisch eingebettet in eine vielseitige Landschaft aus sanften Hügeln, Auenwäldern und Gipsgestein-Formationen.
Seit 2006 erweckt das ZisterzienserMuseum des Klosters den mittelalterlichen Alltag der Mönche zum Leben, wobei akustische und visuelle Inszenierungen zum Einsatz kommen. Getreu dem Motto: „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) produzierten und verkauften die Mönche bereits vor rund 900 Jahre eigene Erzeugnisse. Heute haben Besucher die Möglichkeit, sich im Museumsshop mit klösterlichen Köstlichkeiten einzudecken.
Für Gänsehaut-Feeling sorgen Klosterführungen bei Kerzenschein, die zwischen September und April stattfinden: Das sanft flackernde Licht von hunderten von Kerzen erinnert an die Stille der Klausur und sorgt für eine feierliche Atmosphäre.
Die einzigartige Akustik des Bauwerks macht sich seit 1983 ein ganz besonderes Musikfestival zunutze: Die Walkenrieder Kreuzgangkonzerte locken pro Saison bis zu 5.000 Zuhörer in den doppelten Kreuzgang des Klosters und den Klostergarten: Monatlich finden zwei bis vier Veranstaltungen von Anfang Mai bis Ende Dezember statt. Nicht nur Liebhaber klassischer Musik kommen dabei auf ihre Kosten. Die musikalischen Genres reichen von Klassik über Jazz und Gospel bis zu Popmusik. Musikalische Lesungen und Filmvorführungen runden das umfassende Programm ab.