Als Hendryk Theile zusammen mit seiner Frau Diana Rohrberg-Theile den Aufbau eines neuen ambulanten Pflegedienstes im Raum Katlenburg-Lindau für das Frühjahr 2020 plante, ahnte er noch nichts von der Ausnahmesituation, die nun schon seit Mitte März andauert.
Herr Theile, der Startsschuss für Ihren Pflegedienst kam einen Tag nach Verkündung des Lockdowns durch Bund und Länder. Was bedeutete das für Sie?
„Für den Pflegedienst haben wir eigene FFP3-Masken genäht, damit wir die Einsätze fahren konnten.“
Hendryk Theile über die Engpässe zu Beginn der Pandemie
Es war von Beginn an klar, dass es für einen Pflegedienst kein Berufsverbot geben wird. Man muss ja rausfahren und die Menschen pflegen.
Am Anfang gab es aber große Probleme, die Hygieneartikel zu bekommen – also Masken und Desinfektionslösung. Wir haben dann 50 Liter Desinfektionsmittel von einem Hersteller bezogen, mit dem wir in der Arbeitsmedzin zusammenarbeiten. Für den Pflegedienst haben wir eigene FFP3-Masken genäht, damit wir in die Einsätze fahren konnten, weil wir sonst nichts bekommen haben. Dann kam die Unterstützung des Pflegeverbandes und es wurde besser. Jetzt haben wir einen guten Vorrat.
Das klingt so, als hätten sich die Kontakte, die Sie durch die Arbeitsmedizin bereits hatten, gerade in der Anfangsphase der Pandemie bezahlt gemacht.
Das stimmt, das hätten wir vermutlich so nicht gepackt. Beispielsweise haben die Apotheken bei den Verbrauchsmaterialien Sperren bekommen. Die durften dann plötzlich nicht mehr Handschuhe bestellen als im Vorjahr zur selben Zeit. Für mich völlig unlogisch, denn der Bedarf war ja da. Aber diese Situation haben wir durch unsere guten Kontakte wirklich schrammenlos überwunden.
Sie betreiben zusammen mit Ihrer Frau einen arbeitsmedizinischen Dienst in Northeim – sind also ausschließlich in Betrieben unterwegs. Beim Pflegedienst geht es um Privatpersonen. Wie kam es zu diesem neuen Standbein?
Die Grundidee war, dass wir aufgrund unserer Erfahrungen und Kenntnisse in der Arbeitsmedizin eine Vorstellung davon hatten, wie man es einfach besser in dem Bereich der Pflege machen kann. Und dann ergab sich die Gelegenheit, in Katlenburg-Lindau ein eingespieltes Team an Fachkräften zu übernehmen.
Aber auch für die war der Start inmitten einer Virus-Krise doch sicher sehr ungewöhnlich.
Am Anfang gab es natürlich Zweifel, das haben wir in Besprechungen deutlich gemerkt. Etwa: „Wenn ich mich angesteckt habe und merke es nicht, dann trage ich das ja immer weiter.“ Wir hatten aber bisher nur einen nicht COVID-19-bedingten Ausfall zu beklagen. Ansonsten haben sich alle, Pflegepersonal aber auch Pflegekunden, sehr gut verhalten.
Es ist eine tolle Arbeit, weil wir auch versuchen, sehr modern zu sein. Dadurch, dass wir viel Technik einsetzen, haben wir den Vorteil, dass wir gar nicht so sehr mit dem Virus zu tun haben. Wir haben keine Papiere, die man herumschleppen muss. Bei uns hat jeder ein Tablet und das synchronisiert sich automatisch mit dem kleineren Gerät des Pflegekunden, wenn unsere Fachkraft durch die Tür kommt.
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Man mag annehmen, dass im Pflegebereich Hygienestandards von Natur aus sehr hoch sein sollten. Was hat sich dennoch in den letzten Monaten geändert?
Weil wir in der Arbeitsmedizin tagtäglich mit sämtlichen Verordnungen zu tun haben, wussten wir auch im Pflegebereich, was zu tun ist, um Infektionen zu vermeiden.
In unseren Fahrzeugen könnten sie Herz-OPs machen, weil sie natürlich nach jeder Tour abgewischt, gereinigt und desinfiziert werden, damit der nächste Kollege das Auto dann gleich wieder nutzen kann. Für medizinischen Bereich ist das eigentlich eine tolle Entwicklung. Denn plötzlich geht Hygiene. Auf der anderen Seite geben wir unseren Mitarbeitern durch verlängerte Übergabezeiten aber auch die Möglichkeit, ihrem Kollegen ein keimfreies Fahrzeug hinzustellen. Dazu kommt, dass jede Pflegefachkraft ihr eigenes Equipment hat und somit nichts davon durch mehrere Hände geht.
Für Ihre Pflegekunden ist das sicher ebenso schwierig, dass das Personal, das durch die Tür kommt, dauerhaft Maske trägt. Wie kommen die Pflegebedürftigen Ihrer Einschätzung nach mit der Situation zurecht?
Wir haben das eigentlich erst nach und nach mitbekommen, dass Pflegekunden die Zeiten sozusagen künstlich verlängert haben. „Können Sie nochmal kurz gucken … und wo sie schon mal da sind“ – das waren Dinge die uns aufgefallen sind. Das ist auch total verständlich. Wir waren stellenweise der einzige soziale Kontakt, der in den Tagen überhaupt kam. Die Menschen waren in gewisser Form eingesperrt, isoliert und alleine. Deswegen haben wir unsere Spättouren etwas entzerrt, damit unser Personal auch mal etwas länger bleiben konnte.
Problematisch war allerdings, dass Fachkräfte und Pflegedienstleitung Angehörige nicht mehr zu Pflegeberatungen einladen konnten. Nur das Nötigste war erlaubt. Das hat den Alltag der Pflege deutlich verändert.
Und wie war die Zusammenarbeit mit Behörden, Gesundheitsamt und Krankenkassen?
Man merkte schnell, dass sich durch die Lage die behördlichen Einschränkungen und Auflagen in der Pflege deutlich verzögern. Das liegt auch daran, dass Behörden ihre Leute nicht mehr rausgeschickt haben. Wir haben dann nach Alternativen gesucht. Da sind uns die Krankenkassen sehr entgegengekommen und haben uns Maßnahmen erstmal durchgewunken, wenn die Fachkraft den Bedarf bestätigt hatte. Wir sind also nicht in einem Bürokratiesumpf untergangen.
Aber auch das Gesundheitsamt hat eher bei uns nachgefragt, ob wir noch etwas brauchen, als umgekehrt. Das hat gut funktioniert.
Haben Sie Angst vor einer zweiten Welle im Herbst/Winter?
Nein. Wir haben durch die Vernetzung in der Arbeitsmedizin schon für eine zweite Welle vorgesorgt und haben einen gewissen Vorrat an Masken, Kitteln, Desinfektionsmittel usw. angelegt. +
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