Früher war alles besser. War es das wirklich? Oder war früher halt einfach nur früher? Ich für meinen Teil kann mir mittlerweile eingestehen, dass ich einen Großteil der musikalischen Vergangenheit einfach nur mit ziemlich verklärtem Blick betrachte. Das ist so, aber ich stehe dazu.
Ich wurde 1968 geboren und kann mich nicht erinnern, jemals ohne Musik gelebt zu haben. Von der grässlichen Partymusik à la „Heute hau’n wir auf die Pauke“ oder die Kinderlieder-Platten meiner frühesten Kindheit fing meine wirkliche musikalische Sozialisation Anfang der 80er-Jahre an. Ich wuchs auf mit der Neuen Deutschen Welle und machte bei „Depeche Mode“ und den anderen Electro-Pionieren von Anfang an mit. Ich war begeistert, und bin es zugegebenermaßen durchaus immer noch. Diese Musik hatte Substanz, Humor und war neu. Nicht so wie das, was heute im Radio läuft oder sich in den Charts tummelt (wie auch immer diese heutzutage ermittelt werden).
Kann man mal so stehenlassen. Aber wenn man es genauer betrachtet, muss man als Mensch im besten Alter zugeben, dass eben nicht alles neu war. Einige der größten Hits der 80er-Jahre kommen ursprünglich aus den 70ern, den 60ern oder sogar von noch früher. Man denke an „Tainted Love“, „I feel Love“ oder auch den Hit „In the Mood“, der ja ursprünglich nicht in den 80ern zu verorten war, aber – 1985 von Arthur Barrow neu interpretiert – in den Discotheken durch die Decke ging.
Na gut, mag man sagen. Was gut ist, darf man auch covern. Aber, diese ganzen Retortenbands heute?! Das gab es früher jedenfalls nicht.
Doch. Lange vor den „No Angels“ und „New Kids on the Block“ gab es zusammengecastete Bands. „The Monkees“ zum Beispiel haben sich nicht als Schülerband zusammengetan. „The Rutles“ wurden genauso zusammengesucht wie „Boney M.“
Warum reagieren wir dann aber seltsam berührt, wenn Jugendliche mit dem Smartphone in der Hand die neuesten „Hits“ hören? Weil wir subjektiv der Meinung sind, früher war alles besser.
Betrachtet man einmal ganz objektiv die Musik von damals, muss man oftmals zugeben, dass manch neuer Text um Längen besser ist, als „Kleine Taschenlampe brenn“ oder „Der Knutschfleck“. Ich erwische mich durchaus schmunzelnd, wie ich mich beim Hören einer alten Platte frage, was um alles in der Welt mich geritten hat, solch eine Musik toll zu finden. Dann lehne ich mich zurück und denke an die Situationen, wann ich diese Lieder gehört habe, und alles ist nur noch halb so peinlich.
Der Musikgeschmack ändert sich. Das ist normal. Das ist wahrscheinlich auch eine Frage des Alters und der Reife. Sowohl der Musik als auch von einem selber. Ich höre jetzt Musik, die ich in der Jugend nie gehört hätte. Weil es uncool gewesen wäre, so etwas zu konsumieren, oder weil mir damals noch der Zugang fehlte. Geben wir die Jugend nicht auf. Auch sie entwickelt sich weiter und entdeckt vielleicht Dinge wieder, die wir schon vor Jahren gehört haben oder sogar selbst noch nicht kennen. Die Entwicklung geht weiter, auch wenn sie sich teilweise in kreisförmigen Bahnen zu bewegen scheint.
Die ersten Songs unserer Jugend werden doch bereits gecovert. Manchmal gut, manchmal grottenschlecht. Genau wie damals. Und wenn man der Jugend dann die Originale vorspielt, gibt es von betretendem Schweigen über Verwirrung (dass dieser Song dann doch nicht vom aktuellen Mega-Künstler komponiert wurde) bis zur Verzückung die komplette Bandbreite an Gefühlen. Auch das genau wie bei uns früher.
Wir werden älter. Das Problem ist, dass die Musik meist nicht mit altert. Eines ist aber sicher: Gute Musik setzt sich durch. Auch in Jahrzehnten wird man noch Prince, Michael Jackson, Freddie Mercury oder Mozart kennen. Vielleicht sogar Helene Fischer. Man weiß es nicht.