Ottobock-Geschäftsführer Hans Georg Näder lädt mit seinem Buch „Futuring Human Mobility“ zum Diskurs über technische Möglichkeiten und ethische Grenzen der menschlichen Mobilität ein.
Anlässlich des runden Jubiläums schaut man im Hause Ottobock nicht nur auf die vergangenen 100 Jahre zurück. Vor allem in Person von Entrepreneur Hans Georg Näder wird auch ein Blick nach vorne, in die Zukunft der Menschheit geworfen. Ohne Glaskugel oder wundersamem Wahrsager ist es schon ein Stück weit ungewiss, was die Menschen in 30, 50 oder 100 Jahren erwartet und was unsere Kinder und Kindeskinder erleben werden, ertragen oder erleiden müssen. Oder wie es um unsere Wirtschaft, unsere Bildung und unser Sozialsystem bestellt sein wird.
Noch ungewisser ist die Zukunft im Bereich der Technik – jedoch im Vergleich zu drohenden Klimaänderungen oder militärischen Konflikten rund um den Globus spürbar positiver konnotiert. Und dennoch: Künstliche Intelligenz, Automatisierungen, Robotics und die fortschreitende Digitalisierung – wo wir in ein paar Dekaden stehen werden, lassen die Entwicklungen der Technik der letzten 100 Jahre nur erahnen, mehr aber noch nicht. So regieren und motivieren Hoffnungen und Wünsche das Bemühen um wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritt. Hans Georg Näder hat in diesem Zusammenhang in seinem im Frühjahr auf der Leipziger Buchmesse erstmals vorgestellten Buch „Futuring Human Mobility“ gemeinsam mit 40 Experten und Persönlichkeiten einen visionären Ausblick gewagt. Aufgeteilt ist dieses Konvolut aus Aspekten menschlicher Mobilität in sechs Abschnitte: Neben Zukunftsvisionen geht dabei konkret um den Körper, die Intelligenz, die Gesellschaft, globale Entwicklungen und um die menschliche Vorstellungskraft. Herausgekommen ist ein dicker Einband voller Erfahrungsberichte, Bestandsaufnahmen, Hintergründe, aber auch Fantastereien.
So lernt der Leser beispielsweise Kevin Warwick kennen, seines Zeichens weltweit anerkannter britischer Kybernetikexperte und der erste „Cyborg“ der Welt. Im August 1998 ließ sich Warwick als erster Mensch eine neuronale Schnittstelle in seinen Unterarm implantieren, mit der er allein durch seine Nähe Türen öffnen oder das Licht anschalten konnte. Warwick diskutiert in seinem Beitrag die Vorteile und Gefahren künstlicher Intelligenz und spricht unter anderem über ein neues Konzept des menschlichen Körpers unter Verwendung von Implantaten.
Eine ganz andere Sicht auf die technischen Möglichkeiten unserer Zeit kann dagegen Heinrich Popow anbieten, der im Alter von neun Jahren durch Knochenkrebs seinen linken Unterschenkel und das Knie verlor. Der mehrfache Paralympics-Sieger sowie Welt- und Europameister in der Leichtathletik und Ottobock-Botschafter hat es ein großes Stück weit den Fortschritten in der Prothetik zu verdanken, dass er trotz Amputation überhaupt Hochleistungssportler werden konnte, geschweige denn im August 2016 mit 6,77 m einen neuen Weltrekord im Weitsprung in der Startklasse T42 aufzustellen vermochte. Er berichtet unter anderem über den Wandel in der Akzeptanz von Technik in Form von Prothesen am menschlichen Körper, ausgelöst zum einen durch ein verbessertes Design, zum anderen durch die immer mehr in den Medien Beachtung findenden Leistungen von Menschen mit Handicap. Ähnlich sieht es auch Dr. Eckart von Hirschhausen, der Comedian, Arzt und Bestseller-Autor, der in seinem Essay in Näders Buch „Fünf steile Pro-Thesen“ aufstellt, und mit Blick auf unser Gesundheitssystem bekannt humorvolle, aber auch kritische Töne anschlägt.
Was wäre ein Buch über technische Visionen ohne ein Blick nach Japan, der Wiege der Roboterentwicklung? In einem Interview spricht der Roboter-Pionier Hiroshi Ishiguro über den Stellenwert von Androiden in seiner Heimat. Menschenähnliche Maschinen sind in der nach technischem Fortschritt strebenden japanischen Gemeinschaft voll akzeptiert. Ishiguro erklärt das mit der ureigenen Mentalität des japanischen Volkes, in der Wertigkeit nicht zwischen Menschen und anderen Dingen zu unterscheiden. Er selbst ist der Erfinder von ERICA, einem lebensechten, weiblichen Android. ERICA kann bereits jetzt mit anderen Menschen interagieren und kommunizieren, was sie im Rahmen des Buches auch beweist.
Wem zu viel Fachchinesisch in den Interviews und Essays vorkommt, dem werden im Übrigen in einem Glossar am Ende des Buches die wichtigsten Fachbegriffe dieses komplexen wissenschaftlichen Zweigs erläutert.
Viele renommierte Wissenschaftler, Künstler, Unternehmer und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beider Geschlechter – darunter auch die hierzulande bekannten Ranga Yogeswhar und Wolfgang Schäuble sowie die Näder-Töchter Julia und Georgia – animieren mit spannenden Einblicken in ihre Arbeit und ihre Zukunftsvisionen dazu, sich selbst Gedanken über die menschliche Mobilität, die zukünftige Entwicklung und die ethischen Grenzen des Zusammenspiels von Mensch und Technik zu machen. Ihre Ansätze sind dabei medizinisch, ethisch, philosophisch, politisch, sozial oder wirtschaftlich motiviert.
Bestellen kann man das Buch zum Preis von 25 Euro direkt beim Göttinger Steidl Verlag oder beim Online-Händler Amazon.
Bild oben zeigt Kevin Warwick, den ersten „Cyborg“ der Welt. Foto: © Christoph Neumann